Opel Kadett A (1962 – 1965): der Wirtschaftswunder-Kadett
1962: Sam Walton eröffnet den ersten Wal-Mart-Supermarkt in den USA. Die Plattenfirma Decca lehnt die Beatles nach Probeaufnahmen mit der Begründung ab, dass Gitarrengruppen nicht mehr modern seien. Mit der Kubakrise erreicht das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion einen Höhepunkt. Anthony Burgess veröffentlicht sein Buch „A Clockwork Orange“. Brasilien gewinnt die Fußball-WM in Chile. Die Dreharbeiten zu dem Film „James Bond jagt Dr. No“ beginnen. Die Erfolgsgeschichte des Kadett A startet.
Fakten MODELLGENERATION
Baureihe Opel Kadett A
Produktionszeitraum 1962–1965
Stückzahl 649.512
Karosserievarianten
- Zweitürige Limousine
- Dreitüriger Caravan
- Zweitüriges Coupé
Motorisierungen Benziner: 1.0/40 PS, 1.0/48 PS
Besonderheiten Mit Platz für die ganze Familie und großem Kofferraum ist der Kadett A ein neues Modellkonzept und läutet zusammen mit dem neuen Werk eine neue Ära bei Opel ein
Eine neue Ära für Opel
Großer Kofferraum und viel Platz für vier Personen; neuer, drehfreudiger Motor und geringe Unterhaltskosten sind das Erfolgsrezept des Kadett A. Fast 650.000 Autos baut Opel von 1962 bis 1965 im neuen Werk Bochum.
„Die Herren reisten inkognito: Perfekte Tarnung war angesagt, als sich am 18. März 1960 eine Delegation von Opel-Managern auf den Weg ins Ruhrgebiet machte. (…) Falsche Namen für die Hotel-Reservierung und ein Wagen, der statt des Opel-Blitz einen Stern auf dem Kühler trug, sollte die wahre Herkunft der Direktoren vertuschen.“ Wie ein Krimi beginnt laut Opel-Magazin „Start“ die Erfolgsstory des Kadett A: Für die Produktion des neuen Modells wird eigens ein neuer Standort gesucht – Bochum erhält den Zuschlag. Mit der dritten, gänzlich neu konzipierten Baureihe und dem neuen Werk beginnt für Opel und für Deutschland eine neue Ära.
Wen die kompakte und preisgünstige Baureihe im Visier hat, ist der Presse schnell klar: „Opel Kadett – Fanfarenstoß in Richtung Wolfsburg! Eigene neue Produktionsstätte macht entsprechende Stückzahlen und volkstümlich knapp kalkulierten Preis möglich“, lautet eine Schlagzeile.
Nachdem Prototypen über 1,5 Millionen Testkilometer in aller Welt abgespult haben, rollt im Oktober 1962 der erste Wirtschaftswunder-Kadett vom Fließband. Bei günstigen 2.590 Euro (umgerechnet) startet die Preisliste. Die Linienführung des zweitürigen Stufenheck-Modells ist sachlich-modern: Die Gürtellinie liegt tief, die großen Glasflächen sorgen für gute Übersichtlichkeit. Eine über die gesamte Seitenlinie laufende Zierleiste betont die gestreckte Form. Die vorderen Kotflügel laufen in die Scheinwerfer aus, und die hinteren Enden sind als „Peilecken“ ausgebildet.
Nicht nur mit den Platzverhältnissen im Innenraum verblüfft der Viersitzer bisherige Kleinwagen-Fahrer. „Der Kofferraum? Ein richtiges Gepäckabteil. Die Koffer werden nicht mühsam verstaut, sondern bequem hingelegt. Eine Kleinigkeit, die wichtig ist: Der Tankverschluss liegt außen. Nie haben Sie Benzingeruch im Kofferraum“, loben die Werbetexter und können sich einen Seitenhieb auf den Hauptkonkurrenten aus Niedersachsen nicht verkneifen.
Mit seinem modernen, wassergekühlten Frontmotor bietet der Kadett einen weiteren großen konstruktiven Vorteil. 40 PS leistet der 993 cm3 große Vierzylinder und treibt ab März 1963 auch den neuen Kadett Caravan an. Mit dem geräumigen Caravan stellt Opel den ersten deutschen Kompaktklasse-Kombi vor und unterstreicht damit seine Rolle als Marktführer in diesem Karosseriesegment: Mitte der 60er Jahre ist fast jeder zweite Kombi in Deutschland ein Opel. Das hübsche Kadett Coupé, erhältlich ab Oktober 1963, wird vom 48 PS starken 1.0 S-Aggregat befeuert, das später auch für die beiden anderen Karosserieversionen erhältlich ist.
Die wichtigsten Innovationen:
Mit seinem völlig neuen, drehfreudigen Motor und zahlreichen innovativen Fahrwerksdetails ist der Kadett A ein modernes Fahrzeug. Hinzu kommt die hohe Wartungsfreundlichkeit.
Produktion
„Eine neues Werk, ein neues Auto“ lautete 1962 der Slogan bei Opel. Für die Produktion des Wirtschaftswunder-Kadett errichtete das Unternehmen eigens eine neue, hochmoderne Fabrik auf einem alten Bergwerks-Gelände in Bochum – das erste Pkw-Werk außerhalb Rüsselsheims. Bereits bei der Konstruktion des preiswerten und zuverlässigen Modells wurde auf eine möglichst einfache Produktion Wert gelegt: Die Karosserie besteht aus nur zwölf Hauptteilen, die Seitenwände beispielsweise sind aus einer einzigen Stahlblechtafel gefertigt. Die Vorderachse bildet mit der Lenkung eine Montageeinheit – seinerzeit noch nicht selbstverständlich.
Motor:
Im Kadett A kommt ein neu entwickelter, wassergekühlter Vierzylinder zum Einsatz. Der überquadratische Kurzhuber (Bohrung/Hub: 72/61 mm) erreicht seine Nennleistung von 40 PS bei 5.000 min-1 und setzt bei Opel neue Maßstäbe in puncto Drehfreudigkeit. Gleichzeitig ist das 993 cm3 große Aggregat sehr elastisch und erreicht sein Drehmomentmaximum von 7,2 mkg bereits bei 2.000 min-1. Die Ventile werden betätigt über kleine und leichte Stößelstangen, eine Rollenkette mit automatischem Spanner treibt die Nockenwelle an. Gekoppelt ist der Motor an ein ebenfalls neu entwickeltes, vollsynchronisiertes Viergang-Getriebe mit Mittelschalthebel. Ab 1963 ist – zunächst im neuen Coupé – ein acht PS stärkerer Motor verfügbar. Die Mehrleistung erreichten die Opel-Ingenieure, indem sie die Verdichtung von 7,8 auf 8,8 anhoben. Dadurch benötigt der Kadett 1.0 S Super- statt Normalkraftstoff.
Fahrwerk:
Die Vorderräder sind einzeln an Doppelquerlenkern aufgehängt. Als Federelement fungiert eine neuartige „Weitspalt“-Blattfeder, die bei der Fahrt durch Kurven auch die Funktion eines Stabilisators übernimmt. Neu an der Starrachse hinten ist ihre Zentralgelenkkonstruktion. Originalton Pressetext 1962: „Die neue Zentralgelenkachse hat eine verbesserte Achs- und damit Radführung zur Folge und entlastet die Hinterfedern von Brems- und Antriebsmomenten.“ Als drittes Lager der Antriebseinheit hält das Zentralgelenk Schwingungen weitgehend fern von der Karosserie.
Leichtbau:
„Geradezu sensationell ist das Gewicht des Wagens, der leer nur 670 kg wiegt, was zumindest vom ingenieurmäßigen Standpunkt hohe Anerkennung verdient“, lobt ein zeitgenössischer Autotest. Dennoch ist die Karosserie stabil: „Auch im äußersten Verwindungszustand ließen sich die Türen vollkommen normal öffnen und schließen“, so Autotester Olaf von Fersen in der Zeitschrift „Automobil“ über die seinerzeit keineswegs selbstverständliche Steifheit.
Wartung:
Erschwinglich ist der Kadett A auch im Unterhalt: Er kommt dank wartungsfreier Gelenke an Fahrwerk und Lenkung ohne Schmiernippel aus. Bei der neuen Zahnstangenlenkung stellt sich das Lenkspiel automatisch nach. Auch der Kettenantrieb der Nockenwelle stellt sich dank automatischem Spanner selbsttätig nach. Neben diesen konstruktiven Vorzügen hat Opel die Service- und Ersatzteilkosten mit spitzer Feder kalkuliert: Ein Ölwechsel ist nur alle 5.000km nötig. Lediglich 15 Euro (umgerechnet) kostet die 10.000-Kilometer-Inspektion inklusive Material. Und ein Austauschmotor ist schon für 200 Euro zu haben. Neben gut ausgerüsteten Werkstätten mit geschultem Personal ist auch ein zuverlässig arbeitender Ersatzteildienst entscheidend: 1960 nimmt Opel in Rüsselsheim ein neues modernes Ersatzteile- und Zubehör-Lager in Betrieb.
„BOCHUM UND OPEL: EINE SYMBIOSE“
Mit dem Kadett A nimmt zugleich das Opel-Werk Bochum seine Produktion auf. Die selbstbewusste Strategie, eigens ein neues Werk zu errichten, geht auf: Bis heute sind dort 9,6 Millionen Kadett und Astra vom Band gelaufen.
„In Rüsselsheim und im ganzen hessischen Raum waren die Voraussetzungen zur weiteren Vergrößerung der Produktionskapazität nicht mehr gegeben, die räumlichen Ausdehnungs-möglichkeiten eng begrenzt und keine Arbeitskraftreserven im Einzugsgebiet mehr vorhanden“, begründet Opel seinerzeit seine Pläne, für den Kadett A eigens ein neues Zweigwerk in Bochum zu errichten.
Auf einem ehemaligen Zechengelände beginnen im September 1960 die Erdarbeiten. Auf Europas größter Baustelle bewegen rund 300 Baufirmen mit 5.500 Mitarbeitern 2,5 Millionen Tonnen Erde, verarbeiten 500.000 Kubikmeter Beton und verbauen in Tag- und Nachtschicht 90.000 Tonnen Stahl. Insgesamt investiert Opel eine Milliarde Mark. Am 10. Oktober 1962 wird der Standort offiziell eröffnet und nimmt die Produktion des ersten Wirtschaftswunder-Kadett auf. Im Werk I finden Rohbau und Endmontage statt, im Werk II entstehen Motoren, Getriebe und Achsen.
„Bochum und Opel: eine Symbiose“, schreibt Theodor Faber in den „Ruhr-Nachrichten“ über das partnerschaftliche Verhältnis von Stadt und Unternehmen. Seit der Werkseröffnung sind bis heute rund 9,6 Millionen Kompaktmodelle und insgesamt über 13 Millionen Opel in der Ruhrgebietsstadt entstanden. Täglich werden rund 850 Astra produziert. Ebenso läuft in Bochum der erfolgreiche Compact-Van Zafira auf Astra-Basis vom Band.
TECHNISCHE DATEN
KAROSSERIE/FAHRWERK
Aufbau-/Chassis-Konstruktion Selbsttragende Ganzstahl-Karosserie
Vorderradaufhängung Wartungsfreie Einzelradaufhängung mit Doppel-Querlenkern
Vorderradfederung/-dämpfung Elastisch befestigte Querblattfeder (Weitspalt-
Halbfeder),
Teleskop-Stoßdämpfer
Hinterradaufhängung Zentralgelenk-Hinterachse
Hinterradfederung/-dämpfung Blattfedern, Teleskop-Stoßdämpfer
Lenkung, Bauart Zahnstangenlenkung mit zwei Spurstangen
Räder, Bauart Stahlscheibenräder, 4J x 12
Reifen, Dimension (Basis) Schlauchlos, 5.50 x 12
Maße/Gewichte:
Limousine
Länge/Breite/Höhe mm 3923 x 1470 x 1410
Radstand mm 2325
Spurweite vorn/hinten mm 1200/1205
Leergewicht kg 670–685
Coupé und L-Limousine
Länge/Breite/Höhe mm 3990 x 1470 x 1410
Radstand mm 2325
Spurweite vorn/hinten mm 1200/1205
Leergewicht kg 670–685
Caravan 1000 3-türig
Länge/Breite/Höhe mm 3923 x 1434 x 1483
Radstand mm 2325
Spurweite vorn/hinten mm 1209/1214
Leergewicht kg 720
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